Rückkreuzung auf den Welsh Sheepdog


alle Bilder (c) Eva-Maria Krämer mit Ausnahme des letzten Bildes (c) Angela Harvey

Der Collie in der Sackgasse

Schaut man sich die Entwicklung des Collies von den Zeiten des arbeitenden Hütehundes in wildem Terrain zum heutigen Showhund an, sollte man sich ernsthaft Sorgen machen. Wie viele der modernen Collies sind noch in der Lage, die Arbeit, für die sie einst bestimmt waren, zu verrichten? Wie viele der heutigen Showsieger und Champions haben noch Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Collie alter Zeiten? Wie viele moderne Collies verfügen über eine gesunde diverse Genetik? 

 

Früher wurde immer wieder „frisches Blut“ den Rassehundezuchten zugeführt, beim Collie zum Beispiel durch den Barsoi oder durch Hunde, die phänotypisch dem Collie ähnelten und über Registereintrag der Rasse "neue" Genetik brachten. Es ist unumgänglich in Abständen Neues, „Fremdes“ in eine Rasse einzubringen, wenn man diese dauerhaft gesund erhalten will: Hunde mit anderer Genetik.

 

Doch die Zuchtbücher der den Collie betreuenden Clubs wurden geschlossen. In England geschah dies bereits vor über 100 Jahren, in neuerer Zeit leider auch bei uns. In ein geschlossenes Zuchtbuch kann nichts „Frisches“ mehr hinzukommen und das nach Jahrzehnten exzessiv betriebener In- und Linienzucht! Durch weitere, den Phänotyp betreffende Zuchtvorschriften, ging bereits vorher schon wertvolle Genetik verloren. So war zum Beispiel nach dem Standard im Mutterland der Rasse bis 1969 die "Farbe unerheblich". In 1969 wurden nur noch drei zugelassene Farben eingeführt! Unglaublich die Auswirkungen auf die genetische Diversität, wenn man sich vorstellt, wie viele wundervolle Hunde nun aus der Zucht fielen, einfach nur weil sie plötzlich die falsche Farbe hatten! Weiteres bewirkten natürlich die Shows: Champions oder auch Väter von Champions und erfolgreichen Showhunden führten zum „Popular-Sire-Syndrom“, da sie unverhältnismäßig häufig in der Zucht benutzt wurden, in der Hoffnung auch Sieger zu züchten. Man fragt sich, ob all dies, da seit Jahrzehnten vornehmlich auf Showerfolge und wenig auf Funktionalität und Gesundheit gezüchtet wird, es wirklich wert ist, einen solchen genetischen Verlust hinzunehmen.

 

Aufgrund der modernen genetischen Untersuchungsmöglichkeiten ist inzwischen nachgewiesen, dass der Collie tatsächlich in einer echten Notlage steckt. Studien zeigen, dass der Langhaar Collie einen genetischen  Inzuchtkoeffizienten (IK) aufweist von über 40 %! Der genetische IK ist nicht zu verwechseln mit dem Inzuchtkoeffizienten laut Ahnentafel, der falsch niedrigere Werte angibt. Der Collie steht damit auf Platz 3 der Negativliste aller Rassehunde! Folge dieser genetischen Verarmung ist ein gefährlicher Tiefstand der Diversität des Immunsystems. Hier sind besonders die DLA-Gene zu betrachten, die für das Funktionieren des Immunsystems verantwortlich sind, also z. B. die Abwehr von Viren und Bakterien, aber auch von Autoimmun- und Krebserkrankungen. Insbesondere im Bereich von Autoimmunerkrankungen spielt das Immunsystem eine sehr wichtige Rolle, denn hohe Diversität trägt zu einer stabilen Immunantwort bei aufgrund einer breiteren Palette an Immunsystemvariationen, was wiederum die Bekämpfung von Erkrankungen verbessert. Autoimmunerkrankungen sind nicht reine Erbkrankheiten, sondern kommen gehäuft zum Vorschein durch Verlust an genetischer Diversität. Auf der Seite des österreichischen Labors Feragen gibt es dazu sehr gute Informationen (zu finden HIER)  und auch der Deutsche Windhund Renn- und Zuchtverein hat zu diesem Thema einen sehr guten Artikel hinterlegt (zu lesen HIER).

 

Erschreckend ist auch hier der Stand des Collies: Es wurden bei verschiedenen Rassen bereits mehr als 170 verschiedene Versionen der DLA-Gene gefunden. Diese Gene werden zusammenhängend im Dreierpack vererbt, jeder Hund verfügt über zwei davon,  eines bekommen die Nachkommen somit von der Mutter und eines vom Vater. Diese Kombinationen aus DLA-Genen werden als Haplotypen bezeichnet. Es sind bisher beim Hund über 300 unterschiedliche dieser Kombinationen bekannt. Bei reingezogenen Langhaar Collies scheint tatsächlich bis heute  ausschließlich ein einziger Haplotyp homozygot nachgewiesen zu sein, egal aus welchem Land er stammt! Dieser eine Haplotyp zeigt sich beim AKC gezogenen Amerikaimport genauso wie bei europäisch oder englisch gezogenen Langhaar Collies, ein katastrophales Ergebnis!      

 

Der genetische Stand des Collies lässt meiner Meinung nach nur eine Konsequenz zu – es muss ein Umdenken erfolgen und das sehr schnell! Aus diesem Grund schlage ich nun den Weg ein, den ich aus voller Überzeugung für den Richtigen halte. Ich wünsche mir sehr, dass viele Züchter und Liebhaber der Rasse erkennen, in welcher Sackgasse die Colliezucht (und mehr oder weniger die gesamte Rassehundezucht) sich befindet, und bereit sind, ausgetretene Pfade zu verlassen und zum Wohle oder sogar zur Rettung dieser wundervollen Rasse neue Wege zu gehen. Der VDH sieht die Probleme in der Rassehundezucht und lässt neben Registerzucht inzwischen nicht nur Einkreuzungen von Fremdrassen zu, sondern befürwortet sie sogar! Leider sind zumindest die den Collie betreuenden Rassezuchtvereine noch nicht bereit, die Schwere der Problematik zu sehen und solche Schritte zu gehen und verbieten sowohl Registerzucht als auch Einkreuzungen und blockieren weiterhin sogar Verpaarungen von Lang- und Kurzhaar Collie sowie unerwünschte Farben.    

 

Für mich blieb als Konsequenz nach dem letzten Abschmettern aller Anträge zur Erweiterung des Genpols in der Mitgliederversammlung des Deutschen Collie Clubs (DCC) e. V. im November 2023 leider nur noch, vorübergehend dem VDH den Rücken zu kehren, da weder der DCC e. V. noch der Club für Britische Hütehunde (CfBrH) e. V. einem Züchter die Möglichkeit geben, unter Begleitung des wissenschaftlichen Beirats des VDH ein neues Zuchtprogramm zum Wohle der Hunde zu beginnen.

 

Das Backcross-Projekt

Seit Anfang 2023 verfolge ich nun das Rückkreuzungsprojekt von Angela Harvey, langjährige und weltbekannte Colliezüchterin und Showrichterin, die seit vielen Jahren die Probleme in der Rasse beobachtet und nach Lösungen sucht. Dank Hinweisen und Informationen von Rassespezialistin und Buchautorin Eva-Maria Krämer über die Verbindung der alten Landrasse Welsh Sheepdog mit dem Collie, stellte sie weitere eigene Nachforschungen an und begann in 2019 einen "Outcross" mit einem Collie aus ihren alten Linien und einem Welsh Sheepdog. Inzwischen hat Angela mehrere Generationen und verschiedene Kombinationen gezüchtet und die Nachkommen beeindrucken sowohl in der collieähnlichen Optik als auch in Vitalität, Agilität und insbesondere in der genetischen Diversität und den neuen Variationen in den DLA Genen! Sie sind vom Wesen genau so, wie der Collie sein soll – freundlich, arbeitsfreudig, sehr agil und sehr seinem Menschen zugetan. ABER – es sind keine hyperaktiven Workaholics, sie eignen sich als Familien- und Begleithunde ebenso wie als Hüte- und Sporthunde. Und es konnte dank der heutigen genetischen Tests zwischenzeitlich auch nachgewiesen werden, wovon Eva-Maria Krämer beim ersten Kennenlernen der Welsh Sheepdogs sofort überzeugt war, dass er definitiv einer der Stammväter des Collies ist - somit handelt es sich gar nicht um einen "Out"cross sondern vielmehr um einen "Back"cross auf gemeinsame Vorfahren! Er passt daher einfach perfekt zum Collie und hat  reichlich diverse Genetik im Gepäck – was kann man sich mehr wünschen! Zwei Besuche bei Angela im Norden Englands haben mich von ihrem Zuchtprogramm vollkommen überzeugt und somit stand mein Entschluss fest, mich an dem Projekt, einen möglichen Rettungsanker für die Rasse zu schaffen, zu beteiligen.

 

Mir ist absolut klar, dass dieses Projekt nicht nur auf Zustimmung stoßen wird, es wird Stimmen geben, die es als Mischlingszucht oder Designerrasse bezeichnen werden, doch das ist nicht der Fall und zeigt nur auf, dass dieses Konzept dann noch nicht verstanden wurde. Sowohl Einkreuzungs- wie Rückkreuzungsprojekte sind nur sinnvoll, wenn Nachkommen aus diesen Verpaarungen wieder in die Rasse eingebracht, also zur Zucht eingesetzt werden, um ihre „aufgefrischte“ Genetik der Rasse zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich somit eben nicht um neu kreierte Rassen. Ein- und Rückkreuzungen führen grundsätzlich zu einem Anstieg der genetischen Diversität. Das Erscheinungsbild kann zunächst weniger einheitlich werden (schaut man sich die heutigen unterschiedlichen Typen des Collies innerhalb der nationalen und internationalen Zuchten an, kann man sich allerdings sowieso schon berechtigt die Frage stellen, ob sie tatsächlich einer Rasse angehören), aber die Fitness der Hunde verbessert sich und das Risiko für durch Inzucht hervorgebrachte Erkrankungen reduziert sich durch die höhere genetische Diversität sehr. Den Erscheinungstyp zurück zu gewinnen ist züchterisch das geringste Problem. Vorreiter in Sachen Einkreuzungsprojekt ist der ProKromfohrländer, der genau diesen Weg sehr erfolgreich eingeschlagen hat. Interessierte können sich umfangreich auf diesen beiden Seiten HIER und HIER informieren. Die große Herausforderung bei Einkreuzungsprojekten ist, eine geeignete Rasse zu finden. Und genau da sind wir beim Collie in der höchst privilegierten Lage, diese Rasse quasi bereits auf einem goldenen Tablett serviert bekommen zu haben, in Exterieur und Interieur dem Collie so ähnlich, da sie zurück zu seinen Wurzeln geht!

 

Unsere Reise beginnt!

Ende Juni 2024 wurde unsere Elli läufig und 12 Tage später starteten wir, mein Mann und ich, mit unseren vier Colliemädels und Wohnwagen Richtung Yorkshire. Nach vielen vorangegangenen Überlegungen, das Für und Wider der verschiedenen Möglichkeiten so oft durchgegangen, entschied ich mich, es mit dem zauberhaften Rafe zu versuchen, einem gerade 13 Monate alten Welsh Sheepdog Rüden, der noch keine Deckerfahrung hatte. Zwei Tage hintereinander besuchten Elli und ich Angela, und Elli war absolut begeistert von dem jungen Kerl. Er wiederum wusste natürlich in Sekundenschnelle, worum es ging. Am ersten Tag hat es ein wenig Zeit gebraucht bis alles passte, schließlich mussten die beiden es vollkommen selbständig ohne jegliches Eingreifen oder Unterstützung von Angela oder mir hinbekommen, so war es von uns beiden gewünscht. Rafe bewies unglaubliche Ausdauer, es wurde über das riesige Gelände getobt und gerannt, es wurde umworben und keiner von beiden ließ in den Bemühungen um den anderen nach. Letztendlich hat es perfekt geklappt und der „Kleine“ hat alles instinktsicher gemeistert. Am zweiten Tag klärte Rafe bei der Begrüßung nur ganz kurz ab, ob Elli ihm noch wohl gesonnen war, eine halbe Minute später war der Deckakt im Gange! Im Anschluss durften sie natürlich auch nochmal spielen und rennen, ich war noch nie ein Anhänger des „sofort wegbringen“, „die Hündin jetzt bloß nicht sich lösen lassen!“ etc.. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr ich Angela dankbar bin für ihre unglaubliche Arbeit und Leidenschaft, die sie in diese Vision gesteckt hat, und dass sie anderen Züchtern die Möglichkeit gibt, daran teilzuhaben! Es könnte der Rettungsanker für die ganze Rasse daraus werden, wenn genügend Züchter und Liebhaber des Collies die Dringlichkeit erkennen und mitmachen.

 

Von ganzem Herzen danke ich natürlich Eva-Maria Krämer, die diese Entwicklungen durch ihre Recherchen angestoßen, mich auf dieser ganzen Reise begleitet und mir so unglaublich wertvolles altes Wissen aus der Collie- und Zuchthistorie vermittelt hat! Danke für Deine Freundschaft, liebe Eva!

 

Nach zwei wundervollen Tagen bei Harveys mit tollen Gesprächen und viel Zeit bei ihren tollen Hunden, verließen wir nach einer Stippvisite in York Yorkshire und begannen unseren dann noch 14-tägigen Urlaub mit einer traumhaften Reise durch Wales, bevor wir Ende Juli die Fähre zurück nach Calais nahmen. Der Reisebericht folgt hoffentlich demnächst an anderer Stelle :)   

 

Wir erwarten Welpen!

Zu unserer riesengroßen Freude bestätigte Mitte August der Ultraschall die bestehende Trächtigkeit und am 11.09.2024 wurden unsere sehnsüchtig erwarteten acht Rafe-Elli-Welpen geboren ♥ Nun sind wir natürlich extrem auf die weitere Entwicklung der Zwerge gespannt, sowohl im Wesen als auch in der Optik! 

Alle Welpen dieses Wurfs sind genetisch frei von MDR1, DM, PRA, IPD und GCS, frei oder maximal Träger von CEA und DMS low risk! Außerdem ist Rafe aufgrund einer lange zurück liegenden gemeinsamen Rassehistorie mit dem Border Collie auf über 200 den Border Collie betreffenden Erkrankungen getestet und genetisch frei von allen. 

 

Wer an weiteren Informationen interessiert ist über Elli, Rafe oder unsere Zucht, kann sehr gerne eine E-Mail an uns schicken oder einfach anrufen.